Interview mit Kita-Träger

Wir sind ein "Haus, in dem Kinder forschen"

Sabine Münzberg, Fachbereichsleitung MINT und BNE, Zertifizierte Fachkraft zur Bildung für nachhaltige Entwicklung im Elementarbereich der Terminal for Kids gGmbH, hat bereits die Zertifizierung mehrerer Kitas begleitet und uns hier ihre Motive erklärt.
Bitte beachten Sie: Das Interview fand vor der Umbennung der Stiftung Kinder forschen statt, weshalb im Text die damaligen Namen (“Stiftung Haus der kleinen Forscher”, “Haus der kleinen Forscher”) verwendet werden.

Was ist die Terminal for Kids gGmbH?

Die Terminal for Kids gGmbH (TfK) wurde 2006 als gemeinnütziger Träger von Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder im Alter von acht Wochen bis zum Schuleintritt gegründet und befindet sich heute zu je 50 Prozent im Besitz der Fraport AG und Herrn Udo Sicker (Gründer und geschäftsführender Gesellschafter).
Als anerkannter freier und gemeinnütziger Träger errichtet und betreibt die TfK betriebliche, betriebsnahe und öffentliche Kinderbetreuungseinrichtungen und ist mittlerweile einer der großen privaten Träger von Betreuungseinrichtungen in Hessen, aktuell 26 Kitas, bis Ende 2023 werden weitere 9 Einrichtungen hinzukommen. Alle Einrichtungen garantieren eine hohe Betreuungsqualität.
Zu dieser Qualität zählen verschiedene Zusatzangebote, die die TfK als Träger auszeichnen. Bilinguale Erziehung und tiergestützte Pädagogik (eigene Hundestaffel aus Pädagogen) gehören für uns zum Alltag wie täglich frisch aus Bioprodukten zubereitete Mahlzeiten. Wir betreiben ebenso einen eigenen Bauernhof und eine Alpakafarm, auf denen alle Kinder Naturerfahrungen sammeln können. Unsere pädagogischen Qualitätssäulen, unter anderem MINT und BNE, zeichnen sich durch die beratende Begleitung der Fachbereichsleitungen für alle Einrichtungen aus, bei denen Schwerpunktthemen für Kinder aber auch für die Fachkräfte bildungspädagogisch intensiv und inklusiv zugänglich gemacht werden.

Warum ist Ihnen MINT-Bildung wichtig?

Frühe MINT-Bildung fördert wichtige Zukunftskompetenzen. Kinder haben großen Entdeckergeist. Sie entdecken forschend die Welt, ausgehend von eigenen Fragen und rätselhaften Beobachtungen. In ihrem Alltag erleben Kinder viele Situationen, in denen MINT eine Rolle spielt und Denk- bzw. Handlungsweisen der MINT-Bereiche nützlich sind. Bevor sie jedoch eine eigene Frage zur Natur oder zu einem Gegenstand formulieren und dieser forschend nachgehen können, brauchen Kinder grundlegende Erfahrungen. Sie müssen die Natur(-gesetze) spielerisch erleben und entdecken.
Die Auseinandersetzung der Kinder mit Fragen, die Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) berühren, fördert ihre Neugier, Lern- und Denkfreude. Zusätzlich erlangen die Kinder durch den Bezug zu Alltagsthemen in der Kita Werte und Kompetenzen für eine nachhaltige Entwicklung in der Gesellschaft, die ihr eigenes Leben in der Gesellschaft betreffen (BNE).

Wie setzen Sie Forschen und Entdecken im Kita-Alltag um?

Zwei Themen haben für mich stets Priorität. Die Kinder zu beobachten, um deren Themen im Spiel zu erkennen und Interessen den benötigten Raum zu geben. Jede Frage ist es wert, gehört zu werden- denn hinter den kindlichen Fragen steckt der Wunsch, Wissen zu erlangen und Prozesse zu verstehen. Wenn wir dies als Pädagogen wahrnehmen, ergibt sich automatisch der Raum zum Entdecken und Forschen.
Am bedeutendsten sind aber immer die Fragen der Kinder, an denen wir den thematischen Zugang und Angebote ausrichten. Die Kinder steuern so ihren Entwicklungs- und Lernprozess größtenteils selbst, sind dabei hoch motiviert und mit Freude dabei. Lernen soll immer Spaß bereiten.
Die Kinder haben Zugriff auf unterschiedliche Materialien zum Entdecken und Forschen und eine Begleitung unserer Fachkräfte findet ko-konstruktiv und dialogisch statt. Über die intensive Projektarbeit, auch kleinere Impulse, können alle Kinder dann ihren individuellen Interessen folgen, in Lerngruppen gemeinsam Fragen beantworten und ihre Lebens- und Lernwelt erkunden.
Wir haben in unseren Einrichtungen unterschiedliche Methoden entwickelt: Forscherräume, Forscherwagen, Forschertabletts, Forscherkisten oder Entdeckerregale. Je nach Alter der Kinder findet man hier Impulsmaterial oder themenbezogene Projektkisten. Auch Selbstlerntische werden von uns vorbereitet, an denen die Kinder frei und Interessensgesteuert arbeiten können. Wie arbeiten in Kleingruppen, AGs oder es finden sich Projektgruppen zu einem Thema. Nicht nur in der Einrichtung bieten sich MINT-Themen an, auch das Umfeld gehört für uns ganz klar dazu.
Selbst unsere U3 Kinder sind schon richtige Entdecker und forschen ebenso neugierig, konzertiert und freudig wie die Kindergartenkinder, wenn wir ihnen dies zutrauen und den Bildungsraum öffnen. Dies ist uns nämlich auch bei den Krippenkindern eine Herzensangelegenheit geworden und gehört für uns zum pädagogischen Alltag in allen Einrichtungen.
Im KinderTandem gibt es ein großes Forscherlabor, in dem die Kinder auch mal allein auf Entdeckungstour gehen dürfen. Durch diese intensive Entwicklung in der eigenen Einrichtung konnten wir die letzten Jahre viele Erfolge verbuchen: Fördergelder, Sonderpreise und erste Plätze bei Wettbewerben (kidskreativ und since explore) und wertvolle Kooperationen.

Sie haben bereits mehrere Kitas als „Haus der kleinen Forscher“ zertifizieren lassen, was gefällt Ihnen an der Initiative?

Die Stiftung Haus der kleinen Forscher fördert die frühkindliche MINT-Bildung, in dem sie uns als Fachkräften Fortbildungen ermöglicht und pädagogisches Material zur Verfügung stellt. Alles ist hochwertig aufgearbeitet und man lernt selbst noch viel dazu.
Die vielfältigen Themen laden auch Erwachsene ein, den kindlichen Entdeckdrang zu unterstützen und gemeinsam auf Erkundungsreise zu gehen. So können wir den Kindern die Zukunftskompetenzen mitgeben, die sie benötigen werden.
Es geht der Stiftung eben nicht nur um einzelne Themen, sie betrachtet das gesamte System wie Partizipation, Ko-Konstruktion, Inklusion- das ist für uns so wertvoll.

Was ist Ihrer Meinung nach der Vorteil eine Zertifizierung zum „Haus der kleine Forscher“?

Durch eine Zertifizierung wird unser Engagement nach Außen präsentiert und man empfindet dies selbst als wertschätzende Belohnung für die Arbeit, die wir als Fachkräfte leisten. Es gibt auch bei uns Eltern, die genau deshalb einen Krippen- oder Kindergartenplatz in einer unserer Einrichtungen möchten. Ebenso finden sich hierdurch leichter Kooperationspartner oder Förderer, was wiederum den Kindern zugutekommt. So können wir noch mehr MINT bezogene Projekte ermöglichen oder bekommen auch mal Materialspenden. Hierdurch wurde beispielsweise die Momelino Stiftung auf uns aufmerksam. Nun bekommen wir für alle hessischen Kitas die Möglichkeit, eine Förderung zum Thema Mathematik zu nutzen und erhalten eine pädagogische Schulung sowie kostenfreies wertvolles Bildungsmaterial.

Wie empfanden Sie den Prozess bis zur Zertifizierung?

Innerhalb des Prozesses, der über Webinare und Informationsmaterialien einfach und klar erläutert wird, hat man keinen Zeitdruck. Der Onlinefragebogen hilft zusätzlich über die gestellten Fragen zur Qualität und dem Prozess, neue Ideen für eine gelungen Umsetzung zu finden. Peu a peu kann man ihn ausfüllen und am Schluss ein Projekt und die Konzeption hochladen-einfacher geht es nicht und dennoch ist dies wertvoll für die eigene Zeitressource im Alltag.
Die Rückmeldung, die ausführlich uns sehr persönlich ist, bedeutet für uns eine zusätzlich eine wichtige Ressource, um Prozesse zu verbessern. Und wenn man am Ende die Statistik sieht und weiß, es hat sich gelohnt. Man ist als Team sehr stolz und freut sich ab dem Zeitpunkt auf die offizielle Zertifizierungsfeier und Plakettenübergabe.

Planen Sie alle Ihre Einrichtungen zertifizieren zu lassen?

Das wäre ein wundervolles Ziel und ja, wir arbeiten daran.
Wichtig ist uns aber, dass der Bildungsraum MINT und BNE für alle der von uns betreuten Kinder zugänglich gemacht wird- das hat oberste Priorität und wird in allen Einrichtungen schon umgesetzt. Manchmal sind es auch die kleinen Dinge, die eine große Wirkung haben, um dann weitere Schritte gehen zu können. Wichtig für eine Zertifizierung ist aber auch, dass die Fachkräfte in der Einrichtung hinter der Pädagogik stehen, den Prozess unterstützen und den Kindern den Zugang ermöglichen. Dies braucht Zeit, Fachwissen und eigenes Interesse an den Themen. Ich kläre auf uns zeige ihnen, anhand von Alltagssituationen, wo und wie Kinder entdecken und forschen und welches Thema hinter dem Tun steckt.
In meiner eigenen Kita, dem KinderTandem in Kelsterbach, hat es knapp zwei Jahre benötigt. Es soll keine Momentaufnahme, sondern ein fester Bestandteil im Alltag sein. Deshalb begleiten ich und eine Kollegin als Fachbereichsleitung für das Thema und das Unternehmen die Einrichtungen, die Interesse haben. Aktuelle haben wir drei zertifizierte Kitas, zwei weitere (Rodgau und Kelsterbach) befinden sich aktuell im Prozess, was uns sehrt stolz macht. Weitere Einrichtungen werden sich garantiert herauskristallisieren und folgen.
Leider können sich unsere reinen U3 Einrichtungen nicht zertifizieren lassen- das wäre unser größter Wunsch an die Stiftung, dies zu ermöglichen. Die Kollegen dort leisten eine fantastische Bildungsarbeit und nutzen ebenso die Materialien, nehmen an Fortbildungen teil oder besuchen den Onlinecampus als Lernplattform für Weiterbildungen und Ideen.  Diese Kollegen „brechen“ ihre Angebote und Impulse einfach etwas runter und vereinfachen so für die Kleinsten bei uns den Zugang zu MINT und BNE-Schlüsselthemen. Hier gibt es viele Entdeckerecken und Forscherwannen, Projekte zu Natur und Pflanzen oder Magnetismus-Impulse- Themen, die auch die Kleinen interessieren. Eigens entworfene Experimentekarten ermöglichen sogar den Kindern ab zwei Jahren, anhand von Bildern oder Fotos, ein kleines Experiment eigenständig durchzuführen.

Wie möchten Sie die MINT-Bildung in Ihren Einrichtungen in Zukunft vorantreiben?

Als Fachbereichsleitung für mein Unternehmen berate ich die Einrichtungen intensiv und gebe mehrfach im Jahr Workshops für alle Mitarbeiter oder Teamworkshops in den Einrichtungen.  „Was ich verstehe, macht mir keine Angst“ – wie einfach der Bildungszugang für Kinder in den Alltag integriert werden kann gehört für mich für die Fachkräfte dazu. Zusätzlich haben wir die TfK Akademie gegründet und arbeiten mit einer online Lernplattform. Dort können die Mitarbeiter selbst entworfene Schulungen und Kurse absolvieren. Ich ergänze das Angebot zusätzlich über interne Netzwerktreffen zum Austausch sowie Impulse oder thematische MINT und BNE Padlets (digitale Pinnwand) für die Mitarbeiter. Neue Einrichtungen bekommen in Zukunft ein Welcome Paket, um in das Thema langsam, aber stetig einzusteigen. Material- oder Buchempfehlungen gehören auch dazu. Ich empfehle und vermittle auch den Kontakt zu Netzwerken der Stiftung und Fortbildungen in den jeweiligen Regionen unserer Einrichtungen.
Besonders stolz bin ich auf unsere Themenkisten. In der Coronazeit habe ich verschiedene Themen und Materialien für unsere Mitarbeiter konzipiert. Diese Leihkisten (z.B. Magnetismus, Optik, Mathematik, Wasser, Roboter und Informatik, uvm. …) unterstützen die Mitarbeiter in der MINT-Bildung und bieten den Kindern Zugang zu Phänomenen und spannenden Entdeckungen. Die vielfältige Bienenkiste mag ich besonders, da sich hier MINT und BNE vereinen und das Thema das ganze Jahr über gefragt ist. Anfragen, ausleihen, arbeiten- für Groß und Klein immer spannend und interessant.
Ebenso begleite ich die Einrichtungen als Referentin bei Elternveranstaltungen zum Thema MINT und BNE oder gestalte mit den Mitarbeitern einer Einrichtung ein Kitafest zu einem der MINT-Disziplinen. Eltern-Forscherstunden in den Einrichtungen bewähren sich auch als wunderbare Methode. Hier liegt der Fokus auf einem kleinen Wissenstransfer über eine Präsentation, Empfehlungen von Büchern sowie gemeinsamer Forscherzeit. Lernstationen, an denen Eltern und Kinder selbst aktiv werden können und Fachkräfte dies begleiten, rundet das Angebot ab.
„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Albert Einstein

Kontakt
Terminal for Kids gGmbH
Hessenring 13a
64546 Mörfelden-Walldorf

Sabine Münzberg
01590-4413300


Vielen Dank, Frau Münzberg!
Für Fragen rund um Kinder forschen und Zertifizierung stehen wir gerne zur Verfügung.